Kopfstand, Pflug & Co.
Kopfstand, Pflug & Co
Immer wieder werde ich gefragt, wie ich zum Kopfstand oder Pflug stehe, und immer wieder gebe ich die gleiche Antwort.
Kopfstand, Pflug, Schulterstand und Fisch sind bei mir tabu!
Die Gründe dafür werde ich im Folgenden kurz erläutern.
Als Naturwissenschaftler halte ich es für selbstverständlich, dass man Aussagen mit belastbaren Daten bzw. Literaturstellen untermauert. Leider ist zum Thema Yoga und seine Risiken im Internet nicht viel zu finden. Hier und da findet man Internetseiten, bei denen auf die Gefahren des Kopfstands hingewiesen wird, aber gleich zwei Sätze später werden Tipps gegeben, wie man angeblich den Kopfstand sicher praktizieren kann. Ferner werden die Risiken auch gerne klein geredet und die positiven Effekte des Kopfstands betont. Gemein ist diesen Seiten, dass gerne einfach nur etwas behauptet wird, aber keine Quellenangaben geliefert werden, welche die Behauptungen untermauern.
Ich werde daher in diesem Artikel nur Sachverhalte ansprechen, die ich auch mit im Internet öffentlich zugänglichen Quellen belegen kann. Daher werden einige Aspekte, die zwar logisch nachvollziehbar sind, welche ich hier aber nicht belegen kann, keine Erwähnung finden. Bei einer Suche im Internet trifft man hauptsächlich auf amerikanische Quellen, die einen seriösen Anschein haben. In diesem Artikel werde ich mich aber, so weit wie möglich, auf deutschsprachige Quellen beschränken. Ein guter Einstieg in das Thema ist der Artikeln Viveka – Wenn Yoga schadet.
Kopfstand
Zunächst müssen wir uns einmal darüber Gedanken machen, warum wir eigentlich den Kopfstand üben sollten? Es hat bestimmt jeder schon einmal gehört, Umkehrhaltungen wie der Kopfstand verbessern die Durchblutung des Gehirns. Ist dem wirklich so? Sollte die Evolution in den letzten Jahr Millionen etwa einen kapitalen Fehler begangen haben und unser Gehirn an die falsche Stelle gesetzt haben? Nein mit Sicherheit nicht. Im folgenden Artikel Viveka – Mythos Kopfstand wird mit diesen Mythen aufgeräumt. Kurz das wichtigste zusammengefasst:
- Wenn du im Kopfstand einen roten Kopf bekommst, liegt es nicht an der besseren Durchblutung des Kopfes, sondern an einem Blutstau im Kopf.
- Bei Personen mit Bluthochdruck kann es auf Grund des Blutstaus zu einer gefährlichen Belastung der Arterien führen.
- Das beste Mittel gegen Schwere Beine ist die Aktivierung der sogenannten Muskel- bzw. Venen-Pumpe durch Bewegung.
Die These, dass die Durchblutung des Gehirns verbessert wird, wird aber auch in dieser aktuellen Publikation Headstand (Sirshasana) Does Not Increase the Blood Flow to the Brain. widerlegt. Jeder der sich genauer mit dem Aufbau der Wirbelsäule beschäftigt, wird erkennen, dass die Halswirbelsäule viel filigraner ist, als die wuchtige Lendenwirbelsäule. Bandscheiben, Wirbelkörper einfach alles ist viel feiner und somit viel anfälliger für Verletzungen. Anzumerken ist, dass der Atlas keinen Wirbelkörper hat und das zwischen Atlas und Axis auch keine Bandscheibe vorhanden ist. Wollen wir wirklich diese feinen Strukturen, die dafür gemacht sind, den Kopf (ca. 6 kg) zu tragen, mit einem signifikanten Anteil des Körpergewichts belasten.
Eine weitere Untersuchung Sirsasana (headstand) technique alters head/neck loading: Considerations for safety, hat sich damit beschäftigt, wie stark die Halswirbelsäule belastet wird, wenn man in den Kopfstand geht. Es zeigte sich, dass die Halswirbelsäule im Schnitt mit 40 bis 48 % des eigenen Körpergewichts belastet wird. Eine australische Untersuchung Yoga in Australia: Results of a national survey zum Thema Yoga in Australien, hat folgendes offen gelegt: Die meisten Verletzungen beim Yoga treten beim Üben von Kopfstand und Schulterstand auf.
Der Kopfstand soll auch die Konzentration schärfen und neue Perspektiven schaffen. Mit dem Handstand geht das auch und nach Auffassung der Autoren vom Viveka – Wenn Yoga schadet sicherer, als mit dem Kopfstand. Das Problem ist bloß, der Kopfstand ist im Vergleich zum Handstand sehr einfach. Auch hier zeigt sich wieder einmal, dass der einfachere, leichtere Weg nicht immer der bessere Weg ist.
Pflug & Schulterstand
Im Artikel Viveka – Wenn Yoga schadet (Seite 3) wird auf ein Merkbatt der Techniker Krankenkasse verwiesen, in dem der Pflug als eine krankmachende Übung eingestuft wird. Als Begründung wird unter anderem die Überdehnung des Ligamentum_longitudinale_posterius, des hinteren Längsbandes verwiesen. Das hintere Längsband ist fest mit den Bandscheiben verwachsen, es begrenzt nicht nur die Ventralflexion, also das Vorbeugen (siehe Abschnitt Bänder), es verstärkt auch die Bandscheiben (3D Darstellung). Wird dieses Band durch wiederholte Überdehnung geschwächt, kann sich das also negativ auf die Stabilität der Halswirbelsäule auswirken.
Die Zentrale Prüfstelle Prävention finden die hier besprochenen Umkehrhaltungen auch nicht wirklich der Gesundheit förderlich. Hierzu ein kleines Zitat, dass ich bei meiner Recherche auf folgender Seite entdeckt habe. Die Autorin verweist auch wieder auf heilsame Wirkungen, Belege liefert sie jedoch nicht.
Beispielsweise wurden alle Umkehrpositionen wie der Schulterstand, der Pflug und der etwas fortgeschrittenere Kopfstand aufgrund von erhöhter Verletzungsgefahr (Es scheint bei der ZPP ein Gutachten vorzuliegen, das aber nicht eingesehen werden darf.) aus dem Präventionsprogramm ausgeschlossen.
Fisch
Je nach Ausführung des Fisches, wird der Kopf sehr weit in den Nacken gelegt. Teilweise werden Kopf und Halswirbelsäule sogar bewusst belastet, wie es auf dem verlinkten Bild zu sehen ist (Matsyasana). Der gesunde Menschenverstand sag uns, dass auch hier unnatürliche Fehlbelastungen der Halswirbelsäule mit entsprechenden Folgen auftreten (Viveka – Wenn Yoga schadet Seite 5). Auch die Nackenarterien können im Fisch verengt, blockiert und sogar verletzt werden. Bekannt ist dieses Phänomen auch unter dem Namen Schönheitssalon-Syndrom und kann bis zu einem Schlaganfall führen, wie dem verlinkten Artikel zu entnehmen ist.
Ja, aber mir haben diese Asanas nie geschadet.
Ja vielleicht haben diese Asanas dir nie geschadet, oder was ich dir nicht wünsche, du hast die negativen Auswirkungen bis dato noch nicht bemerkt. Mit ein wenig Glück gehörst du zu denjenigen, die nie Probleme mit Pflug & Co bekommen werden. Wir als Yoga-LehrerInnen haben uns selbst eine große Verantwortung auferlegt. Unser Bestreben ist es nicht deine Gesundheit leichtfertig aufs Spiel zu setzen, sondern dich vor Schaden zu bewahren. Dazu gehört auch, dass wir uns ständig weiterbilden, uns selbst sowie unsere Yoga-Stunden hinterfragen.
Bei den hier besprochenen Asanas, besteht jedoch nach aktuellen Stand des Wissens eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sie bei dir dauerhaften und sogar ernsthaften Schaden verursachen können. Die möglichen negativen Folgen stehen aus unserer Sicht in keinem Verhältnis zu den vermeintlichen und meistens nicht nachgewiesenen Nutzen. Kopfstand, Schulterstand, Pflug und Fisch sind daher bei uns tabu. Wenn du unsere Ansicht hierzu nicht teilst, respektieren wir das, wir bitten dich aber darum, unsere Sichtweise gleichermaßen zu respektieren. Wir möchten dich daher darum bitten, in unseren Räumen die hier diskutierten Asanas generell nicht zu praktiziert.
Wir danken für dein Verständnis.
Namasté
Olaf